Oiseau migrateur - Zugvogel. Ein schöner Begriff im französisch-deutschem Wörterbuch. Und passend für unseren Aufenthalt, unsere Auszeit, unseren Austausch, unser Sabbatical mit Schulpflicht, unseren "Bildungsurlaub" (congé de formation) - oder wie man es auch immer nennen mag. In 80 Tagen in eine andere Welt. Drei Monate Montpellier, Südfrankreich. On y va! Los geht's!
Es ist Anfang Januar 2025, kein Schnee, keine Sonne in Speyer. Lang inspiriert, lang geträumt, lang geplant erlauben wir uns ein Abenteuer und ziehen im Winter in den Süden. Warum? Mindestens fünf Gründe sind mir eingefallen - 17 Jahre nach dem letzten Auslandsaufenthalt: Licht. Meer. Fremdsprache. Familienzeit. Spanische Nähe.
Der Weihnachtsbaum wird abgeschmückt, die Lichterbögen weggeräumt. Unsere lieben Freunde verabschieden wir bei Regen und Abstand auf Terrassen (so lieben Dank!). Wir packen Winter- bis Frühlingskleidung, Deko und einige Speyer-Erinnerungen ein. Fünf Umzugskisten und sieben Koffer. Armer Seby. Er muss alles ins Auto packen. Die Kinder und ich fahren Zug. Eigentlich müssten wir schneller ankommen. Aber warten wir mal ab... wir wollten ja Abenteuer und Flexibilität lernen.
Unsere Zugstrecke am ersten Freitag im neuen Januar 2025: Speyer - Mannheim - Basel SBB - Bern - Genève-Cornavin (wie viel schöner das klingt als Genf) - Annemasse. Dort übernachten wir.


Am Samstagmorgen geht es nach Croissants und Café au lait gemütlich weiter mit einem kleinen "Umflug" im mit Skiern und internationalen Touristen gefüllten Regionalzug (über die Alpenorte Chambéry und Grenoble): Annemasse - Genève-Cornavin - Valence TGV - Montpellier TGV Sud de France.
Zug(vogel) verspätet sich
Doch wir kommen erstmal nur bis Valence Rhône-Alpes, stranden 200 Kilometer vorm Ziel. Immerhin ein moderner TGV-Bahnhof mit Park draußen sowie Café, Handyladestationen und Gemeinschafts-Klavier, auf dem jeder einfach so Musik spielen kann für die Passagiere. Merci beaucoup, applaudiere ich und darf stundenlang gerührt den so gut performten Klängen lauschen. Erst anderthalb, dann zwei, dann drei Stunden Verspätung hat unser Anschluss-TGV, der aus dem Pariser Winterwetter kommt - oder eben nicht kommt.
Wieder etwas gelernt: Wer den günstigen OuiGo-Zug in Frankreich nimmt, kann bei Verspätung nicht einfach den nächsten Zug in dieselbe Richtung nehmen, sondern muss mit Zugbindung auf den gebuchten warten. In der Zwischenzeit halten Züge nach Barcelona - ach, Barcelona, bin ich verliebt. Wir sind im Süden!
Die Freude ist groß, als wir bei Abenddämmerung endlich mit 300 km/h zwischen gelblich leuchtenden Felsformationen und grünen Pinien gen Süden brettern. Am frühen, schon dunklen Abend erreichen wir Montpellier TGV Sud de France, etwa fünf Kilometer außerhalb der Stadt. Wir hüpfen vor Glück, doch schnell schnell in den Shuttlebus, der uns in die Innenstadt bringt. Dann schnell schnell in die Straßenbahn. Fahren wir in die richtige Richtung?
Schnell schnell... habe ich kein Portmonnee mehr. Quoi? Was? Oui, volé. Geklaut. Bienvenue à Montpellier! Ich dachte nicht, dass wir uns so kennenlernen. Aber kein Vorwurf. Nur komisch, dass ich mich habe ablenken lassen von der Ankunfts-Euphorie. Als ob ich nicht wüsste, dass man aufpassen muss in Großstädten - bekannt aus Barcelona, Paris & Co. Schnell schnell... Karten sperren, Kinder trösten, erklären, fluchen, weitergehen, ankommen... in unserer Drei-Monats-Wohnung. Zum Glück ist sie abseits vom Trubel, ruhige Lage in einem eingezäunten Wohnkomplex nahe Alvas und Sveas Schulen. Wir essen das, was wir als Proviant übrig haben. Am nächsten Morgen sehen wir weiter. Erstmal eine Nacht darüber schlafen. Bonne première nuit!







